Wie startest du in den Tag?
Meine Mutter sagte mir als Heranwachsende: „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit. Mit einem guten Frühstück beschenkst Du Deinen Körper. Er steht Dir den ganzen Tag zur Verfügung und soll Dir gute Dienste leisten. Dafür ist es wichtig, ihn gleich zu Beginn des Tages mit guten Nährstoffen zu versorgen.“
Ich gehe noch ein Stück weiter: So wie wir unseren Tag mit energie- und nährstoffreicher Nahrung beginnen, so wichtig ist auch, unseren Geist mit der notwendigen Energie zu versorgen.
Eine kleine Einheit am Morgen, ich der ich dafür sorge, den Tag intentional und selbstbestimmt zu beginnen und nicht wie eine Flipperkugel, die von einer Ecke in die nächste geschubst wird, stärkt mich. Diese Gewohnheit, dieses Ritual gibt mir Sicherheit, Kraft und Selbstvertrauen.
Als ich noch als Angestellte in einem Unternehmen beschäftigt war, war es mir zum Beispiel wichtig, morgens recht früh da zu sein. Für mich war es ein Ritual meinen Rechner in aller Ruhe einzuschalten, vielleicht auch mal einen Blick auf die Pflanzen zu werfen und mich in Ruhe auf die aufkommende Hektik vorzubereiten.
Auch jetzt als Selbstständige versuche ich, den Tag mit einer ruhigen Tasse Kaffee zu Hause zu beginnen. Ich überlege, was steht heute an und was brauche ich dafür. Nicht immer gelingt mir dieser „ruhige Morgen“, manchmal wird mein Vorsatz durch äußere Umstände über den Haufen geworfen. Das ist dann zwar ein Moment des kleinen Wehmuts, jedoch weiß ich, dass es auch wieder andere Morgen gibt.
Was will ich damit sagen? Es ist nicht zwingend notwendig, dogmatisch das Ritual immer ausführen zu können oder zu müssen um mich gut zu fühlen. Manchmal geht es nicht und das ist dann auch in Ordnung. Wichtig ist für mich auch, dass mein Ritual kein zeitraubender Punkt in meiner Tagesagenda ist. Meine „Tasse Kaffee“ dauert 5-10 Minuten. Das ist mir auch als berufstätige Familienmanagerin möglich.
Möglicherweise kann ich meine Selbstbestimmung im Laufe des Tages in manchen Situationen nicht aufrecht erhalten. Doch so wie ein gutes, nährstoffreiches Frühstück meinen Körper bestmöglich auf den Tag vorbereitet, hilft mir mein Morgen-Ritual gut auf die Anforderungen des Tages zu reagieren.
Rituale können uns vielfältig positiv beeinflussen: sie strukturieren den Tag, sie fördern den Gemeinschaftssinn und das Zusammenleben, die Fähigkeit zur Kommunikation; sie geben Struktur, helfen bei der Lösung von Konflikten und wirken beruhigend. Sie geben Sicherheit, Orientierung und Halt und sorgen für die Behaglichkeit, die so manches Mal zum Wohlbefinden beiträgt.
Rituale können jedoch noch weitaus mehr: Sie sind Ankerpunkte und haben die Kraft uns zu stärken für außergewöhnliche Ereignisse. Ein berühmtes Beispiel für die Kraft der Rituale gab es im Ersten Weltkrieg: Weihnachten 1914 stellten Tausende deutsche und britische Soldaten an der Front in Frankreich und Belgien das Kämpfen ein. Sie trafen sich im Niemandsland und feierten mitten im Ersten Weltkrieg das Fest der Liebe – mit Geschenketausch, Weihnachtssingen und sogar Fußballspielen.
Die Sehnsucht nach diesem Ritual der Geborgenheit und Sicherheit war bei den Soldaten so groß, dass es zu diesem besonderen Zeitpunkt keine Rolle spielte, dass sie vor und nach dem Ereignis verfeindet waren.