„Du machst eine unglaublich wichtige Arbeit für die Gesellschaft“
Sagte ein ehemaliger Kollege zu mir, dem ich von meiner Arbeit erzählte.
Er spielte darauf an, dass ich neben meinem Wirken in Unternehmen ebenso als Mediatorin und Konfliktcoach mit Privatpersonen arbeite.
- Da werden aus einem zerstrittenen Paar wieder Eltern, die es schaffen, ihre Enttäuschung über das Scheitern der Beziehung nicht über das Wohlergehen ihrer gemeinsamen Kinder zu stellen.
- Da wird aus „wenn der zur Feier kommt, kannst Du mit mir nicht rechnen“ ein vorsichtiges Aufeinander zu gehen.
Es gibt Kollegen, die familiäre Konflikte meiden, weil sie ihnen „zu emotional“ sind.
Meine Erkenntnis ist, dass es immer um verletzte Gefühle geht – egal ob im privaten oder beruflichen Kontext. Der Unterschied zeigt sich darin, dass in familiären Konflikten die Verletzungen oftmals über einen langen Zeitraum ungeklärt sind. Da wir uns nicht mal eben eine neue Familie suchen können, haben die Beteiligten im Laufe der Zeit Strategien zur Verdrängung etabliert. Sie versuchen sich mit der Situation zu arrangieren („Ich brauche meinen Vater nicht“). Solch jahrelang gepflegten Strategien sind nicht immer leicht aufzulösen. Da kann eine Mediation zur Lösung von familiären Konflikten schon sehr emotional und auch langwieriger sein.
Doch was passiert, wenn dieser Schutzpanzer unerwartet Risse bekommt? Dann prasseln mit voller Wucht starke Gefühle auf diese Menschen ein, denen sie sich schutzlos ausgeliefert fühlen. Für viele Betroffene herrscht dann ein Gefühl der Ohnmacht vor und sich wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen können. Das Verdrängen einer Situation oder einer Person führt eben nicht zu einer Klärung.
Nicht selten nehmen Menschen jahrelang Schmerzmittel oder Psychopharmaka ein, um die Symptome zu bekämpfen. An die Ursache des Konfliktes jedoch gehen sie nicht. Es erfordert Mut, sich mit einem unangenehmen Thema oder unangenehmen Menschen auseinanderzusetzten. Oft ist die Sorge und Angst groß, dass viel Staub aufgewirbelt wird, wenn der Teppich erstmal angehoben wird. Und ja, es kommt durchaus vor, dass im ersten Moment ein großes Gewitter tobt. Wie in der Homöopathie können sich Symptome zunächst verschlimmern. Was zuvor verdeckt unterm Teppich lag, wird nun offensichtlich. Doch jedes Gewitter ist irgendwann vorbei und die Luft klart wieder auf. Das heißt nicht, dass sich nun alle in den Armen liegen. Klarheit kann auch bedeuten, dass getrennte Wege für die Beteiligten der bessere Weg ist.
Ob Spannungen im privaten oder beruflichen Umfeld auftreten: Auseinandersetzungen und Konflikte führen immer zu unangenehmen Situationen und Gefühlen. Wie stark diese empfunden werden, ist sehr unterschiedlich und hängt vor der individuellen Grenzverletzung ab. Emotionale Schmerzen verursachen körperliche Beschwerden. Nicht umsonst heißt es „Das schlägt mir auf den Magen“, „es geht mir nicht gut damit“.
Gerade wenn Themen emotional aufgeladen sind, kann es hilfreich sein, eine neutrale Person als Vermittler hinzuzuziehen. Diese kann im Gespräch unterstützten WIE gesprochen wird, WAS angesprochen wird.
Doch Vorsicht ist bei der Wahl dieser neutralen Person geboten:
Ein Vorgesetzter kann manchmal in seiner Funktion und Aufgabe nicht neutral sein. Ein Freund oder Familienmitglied kann mit der Verantwortung für eine Vermittlung schnell überfordert sein. Vor allem, wenn Sätze wie „auf wessen Seite stehst Du eigentlich?“ fallen.
Konflikte kosten Zeit und Energie. Dies kann dazu führen, dass andere wichtige Aufgaben vernachlässigt werden oder Menschen sich überlastet fühlen. Konflikte belasten und führen nicht selten in die Arbeitsunfähigkeit. In den vergangenen 10 Jahren haben psychischer Erkrankungen um 48% zugenommen! Ganz vorn dabei sind Erkrankungen, die durch beruflichen Stress entstanden sind. Zu diesem Stress wiederum gehören Konflikte am Arbeitsplatz. Hier sind Führungskräfte gefragt, im Rahmen ihrer Führungsaufgabe Abhilfe zu schaffen.
Als Arbeitgeber ist es sowohl emphatisch als auch wirtschaftlich notwendig dafür zu sorgen, dass Konflikte beseitigt werden und die Mitarbeitenden in ihrer Konfliktkompetenz gestärkt werden. Eine wichtige Komponente für die psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz.
Mich hat die spontane Äußerung meines Ex-Kollegen sehr gefreut. Denn ich empfinde meine Arbeit zutiefst befriedigend und sinnvoll – ich kenne mein Why.